Schleswig-Holstein

Datenbasiertes Handeln

Am Beispiel der Wärmewende

DIE BMK – ZENTRUM DES LÄNDERÜBERGREIFENDEN HANDELNS

Seit 75 Jahren ist die Bauministerkonferenz die Plattform für den Austausch von Erfahrungen, Informationen und Fachwissen im Bereich des Bauwesens und der Stadtentwicklung. Sie ist die Arbeitsgemeinschaft der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Ministerinnen und Minister und Senatorinnen und Senatoren der 16 Länder der Bundesrepublik und fungiert als Verbindung zwischen Politik und der Fachlichkeit. Die Bauministerkonferenz erörtert Fragen und trifft Entscheidungen zum Wohnungswesen, Städtebau und Baurecht und zur Bautechnik, die für die Länder von gemeinsamer Bedeutung sind.

Foto: © Bernadette Grimmenstein

Im Fokus steht dabei, die Zusammenarbeit zwischen den Ländern zu verbessern, Synergien zu nutzen und einheitliche Standards zu fördern. Die Konferenz ermöglicht den Ländern den Austausch über aktuelle Herausforderungen und die Entwicklung gemeinsamer Strategien und Lösungsansätze.

Zudem bietet die Konferenz den Ländern ein Forum, in dem sie ihre Anliegen in Bezug auf Bau- und Wohnungspolitik gegenüber der Bundesregierung vertreten und gemeinsame Positionen formulieren. Hier findet der fachliche Dialog statt, der die Basis für diese Positionen bildet.

Um trotz der teils sehr heterogenen Ausgangssituationen mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen, hat sich die Bauministerkonferenz auf „Spielregeln“ der Zusammenarbeit geeinigt. Eine wichtige Vereinbarung ist, dass Entscheidungen immer im Konsens aller zu treffen sind. Die Vorteile dessen liegen auf der Hand. Unterschiedliche Interessen und Perspektiven werden einbezogen und berücksichtigt. Akzeptanz und Legitimität der getroffenen Entscheidungen steigen und der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Ländervertretern werden gestärkt. Das gibt dem Gremium eine starke Außendarstellung und stärkt dessen Positionen.

Ein guter Konsens kann allerdings nur erreicht werden, wenn verschiedene Voraussetzungen erfüllt werden. Entscheidend ist zunächst eine offene und konstruktive Kommunikation zwischen den beteiligten Parteien. Den Rahmen hierfür bietet die Bauministerkonferenz seit 75 Jahren.

Neben einer guten Kommunikation bildet insbesondere eine detaillierte und fundierte Datengrundlage die Basis einer konsensualen Zusammenarbeit. Auch hierfür bietet die Bauministerkonferenz die notwendigen Rahmenbedingungen. Die Fachgremien der Konferenz schaffen den Raum und die notwendigen Strukturen, um einen regelmäßigen fundierten Austausch zu den zentralen Themen durchzuführen.

Am Beispiel eines der zentralen Themen – der Frage nach der Schaffung ausreichenden Wohnraums – lässt sich exemplarisch aufzeigen, welche Stärken die Bauministerkonferenz hat und weshalb sie seit vielen Jahrzehnten das zentrale Entscheidungsgremium für Fragen des Bauens in der Bundesrepublik darstellt.

Der steigende Bedarf an Wohnraum insbesondere in Städten macht den Zubau ausreichender und bezahlbarer Wohnungen notwendig. Vor allem dieser Mangel und hohe Kosten für den Wohnungsbau bewirken, dass die Preise für Wohnimmobilien und Mieten auf einem Niveau angekommen sind, das das Einkommen vieler Menschen übersteigt. Die Herausforderung für die Wohnungswirtschaft besteht darin, dennoch ausreichend bezahlbaren, angemessenen und nachhaltigen Raum anzubieten.

Diese Situation ist nicht einmalig. Im Gegenteil. Bereits mehrfach traf eine sehr hohe Wohnungsnachfrage auf einen zu geringen Wohnungsbestand. Zur Zeit des Wiederaufbaus, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde die Situation noch durch eine Materialknappheit verschärft. Einem immensen Neubaubedarf in der gesamten Bundesrepublik wurde damals mit zentralen Ansätzen begegnet. Einer dieser Ansätze zur Linderung der Wohnungsnot in den Nachkriegsjahren kam aus Schleswig-Holstein in Form einer Typenplanung für Gebäude, Grundrisse und Bauteile des geförderten Wohnungsbaus. Diese wurde bereits 1947 durch die ARGE//SH entwickelt. Der Anteil der als sog. SH-Bauformen typisierten Gebäude und Bauteile beträgt bis weit in die 70er Jahre im Durchschnitt mehr als 90 % des gesamten Bauvolumens in SchleswigHolstein. Die Typenplanungen werden bundesweit überwiegend auch für nicht öffentlich geförderte Häuser übernommen und sind bei zahlreichen Bauvorhaben in der Bundesrepublik Deutschland zu finden. Die SH-Bauformen werden bis zum Jahr 1996 erfolgreich eingesetzt und nicht zuletzt durch die BMK maßgeblich vorangetrieben.

Abbildung: Praktikable und lebenswerte Lösungen auch im sozialen Wohnungsbau. Foto: © ARGE//SH

Aber auch in den 90er Jahren gab es in Deutschland Herausforderungen für den Wohnungsbau, die mitunter durch die Wiedervereinigung beeinflusst wurden. Vor allem die neuen Bundesländer standen vor der Herausforderung, ihre veraltete Infrastruktur und Wohngebäude zu modernisieren und den Bedarf an zusätzlichem Wohnraum zu decken. Zudem erlebten einige Großstädte ein Bevölkerungswachstum, während viele ländliche Gebiete und einige ostdeutsche Städte mit Bevölkerungsrückgang und schrumpfenden Stadtvierteln zu kämpfen hatten. Dies führte zu einer ungleichen Verteilung des Wohnraumbedarfs in Deutschland. Diese Entwicklungen begünstigten in den 90er Jahren eine Immobilienkrise mit überhöhten Immobilienpreisen und spekulativen Blasen, die die Finanzierung von Wohnprojekten enorm erschwerte. Auch städtebauliche Planungen und die Realisierung von Bauvorhaben stellte dies vor große Herausforderungen.

Neu ist heute, dass neben der Frage der Bereitstellung ausreichenden Wohnraums zeitgleich weitere Anforderungen von umfassender gesellschaftlicher Relevanz auf die Frage der Wohnraumförderung einwirken. Dies sind u. a. die Flächeneinsparziele. Die Versiegelung von Flächen muss auf ein Minimum begrenzt werden. Insbesondere in den Ballungszentren ist das eine notwendige Maßnahme im Rahmen der Klimaanpassung und um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen.

Abbildung: Effiziente Flächennutzung durch das Schließen von Baulücken in Kiel. Foto: © Bernadette Grimmenstein

Nachhaltige Bauweisen und energieeffiziente Gebäude sind mittlerweile zentrale Anforderungen im Bauwesen. Es ist unstrittig, dass der Wohnungsbau nachhaltiger gestaltet werden muss, auch um dessen Energieverbrauch zu reduzieren und die Treibhausgasemissionen zu verringern. Die Zielmarken für den klimaneutralen Bestand sind gesetzt. Die EU strebt dafür das Jahr 2050 an, der Bund möchte das Ziel bereits 2045 erreicht haben. Einige Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein wollen bereits 2040 so weit sein. Eine Jahrhundertaufgabe, für deren Umsetzung der Gesellschaft also nur noch ein überschaubarer Zeitraum zur Verfügung steht.

Dabei dürfen der demografische Wandel und die alternde Bevölkerung nicht aus den Augen gelassen werden. Die Größe von Wohnungen, deren Zuschnitt und nicht zuletzt die Reduzierung von Barrieren gewinnen zunehmend an Bedeutung. Es ist erforderlich, eine Vielzahl von Gebäuden anzupassen, um den Bedürfnissen älterer Menschen und von Menschen mit Behinderung gerecht zu werden.


DATEN ALS BASIS ABGESTIMMTEN HANDELNS

Bei all diesen Fragen spielen Daten und datenbasierte Entscheidungen eine entscheidende Rolle. Daten über Energieverbrauch, Treibhausgasemissionen und den Sanierungsstand des Gebäudebestands sind leitend für die Entwicklung von Strategien zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks im Bauwesen. Sie dienen als Grundlage für die Festlegung von Zielen, die Überwachung von Fortschritten und die Bewertung der Wirksamkeit von Maßnahmen.

Unterstützung kann hierbei die Digitalisierung geben. Smart-Home-Technologien und vernetzte Systeme bieten neue Möglichkeiten für Komfort, Energieeffizienz und Wohnqualität. Zudem können technische Lösungen einen Zugewinn an Sicherheit und Eigenständigkeit für eingeschränkte Personen bieten. Bauvorschriften und Planungspolitik haben einen erheblichen Einfluss auf den Wohnungsbau. Die Vorschriften betreffen Aspekte wie Gebäudestandards, Zonierung, Bauverfahren und Energieeffizienzanforderungen.

Abbildung: Sozialer Wohnungsbau wie hier in Norderstedt als wichtiger Bestandteil funktionierender Quartiere. Foto: © Bernadette Grimmenstein

Daten liefern Informationen über demografische Entwicklungen, Bevölkerungszahlen, Wachstumstrends, Flächennutzung und andere raumrelevante Faktoren. Diese sind entscheidend für die Entwicklung von Raumordnungsplänen, städtebaulichen Konzepten und die Festlegung von Entwicklungszielen.

Die Verfügbarkeit von Finanzierungsmöglichkeiten und staatlichen Förderprogrammen beeinflusst den Wohnungsbau. Fördermaßnahmen können den Bau bezahlbaren Wohnraums unterstützen und Anreize für nachhaltige Bauweisen schaffen. Daten spielen eine wichtige Rolle bei der Überwachung und Bewertung von politischen Maßnahmen und Programmen. Sie ermöglichen die Messung von Fortschritten, die Identifizierung von Erfolgen oder Herausforderungen und die Anpassung von Strategien, falls erforderlich.

Es ist überdeutlich: Ohne fundierte Erkenntnisse und ohne die intensive fachliche und politische Bewertung dieser Erkenntnisse werden die zentralen Ziele unserer Zeit nicht umzusetzen sein.

Dies lässt sich am Beispiel des Ziels „Klimaneutralität des Gebäudebestands“ weiter konkretisieren. Über viele Jahre (1990–2005) haben stetig steigende Effizienzanforderungen zu einem signifikanten Rückgang des Treibhausgasausstoßes im Wohngebäudebereich beigetragen.

Abbildung: Entwicklung und Zielerreichung der Treibhausgasemissionen im Sektor Gebäude gem. Klimaschutzgesetz. Grafik: © Umweltbundesamt, 13.03.2023

Im Ergebnis ist seit 1990 (Basisjahr der Klimarechnung) der Wärmeenergieverbrauch von durchschnittlich 250 kWh/m² und Jahr auf rund 130 kWh/m²a gesunken. Auch die Treibhausgasemissionen gingen zurück um gut 44 %.

Die Annahme liegt nahe – und prägt auch immer noch zentral die gesetzgeberischen Entscheidungen in diesem Bereich, dass durch weitere Verschärfungen der Anforderungen an die Gebäude, z. B. die Gebäudehülle, eine Fortsetzung des Einsparpfades möglich ist. Ein genauerer Blick in die Daten offenbart jedoch, dass diesem Ansatz Grenzen gesetzt sind.

So zeigt eine Auswertung der im Rahmen des Klimabündnisses SH erhobenen Daten zu den Entwicklungen im Bereich der Gebäudesanierung, dass in den Jahren 2016–2018 trotz massiver Investitionen seitens der Vermieterinnen und Vermieter keine Reduzierung der Treibhausgasausstöße erzielt werden konnte. Vielmehr deuten die Daten darauf hin, dass das Heizverhalten der Mieterinnen und Mieter, nach der Ertüchtigung des Gebäudebestands, die theoretisch erzielbaren Einsparungen kompensiert hat. Zudem wirken das Bevölkerungswachstum und die Zunahme beheizter Flächen dem entgegen. Erst mit dem spürbaren Anstieg der Heizkosten konnten die Maßnahmen am Gebäude ihre volle Wirkung entfalten.

Seit der Einführung der 1. Wärmeschutzverordnung (WSchVO77), mit der auf die Energiekrise in den 1970er Jahren reagiert wurde, sind die energetischen Anforderungen beim Bau und bei der Sanierung von Gebäuden stetig gestiegen. Mittlerweile haben diese Anforderungen, die inzwischen zentral im Gebäudeenergiegesetz (GEG) geregelt sind, ein sehr hohes Niveau erreicht. Die aktuellen Neubauten und Gebäude, die umfassend saniert werden, entsprechen somit einem Standard, der wenig Raum für weitere Optimierungen lässt. Problematisch ist hingegen die hohe Zahl der Gebäude, die in der ersten Zeit nach Einführung oder noch vor der WSchVO77 gebaut und bislang nur unzureichend oder gar nicht energetisch saniert worden sind. Das betrifft in Deutschland etwa zwei Drittel des Wohngebäudebestands. Um einen möglichst großen Schritt in Richtung Klimaneutralität zu gehen, sind diese Gebäude vorrangig zu behandeln.

Die Klimaneutralität von Gebäuden beschränkt sich allerdings nicht auf die Reduzierung des Energiebedarfs und die Nutzung klimaneutraler Energiequellen. Auch die grauen Emissionen, die durch den Bau, die Sanierung und Modernisierung und den Abbruch und die Entsorgung freigesetzt werden, müssen berücksichtigt werden. Bilanzieren lässt sich das in der Lebenszyklusbetrachtung. Aktuelle Studien, mitunter auch die der ARGE//SH, belegen, dass die Konzentration auf einen möglichst niedrigen Energiebedarf und die Nutzung von erneuerbarer Energien nicht zwangsläufig die niedrigsten Treibhausgasemissionen bedeuten. Die Emissionen, die durch den erhöhten Aufwand u. a. für Dämmung und Gebäudetechnik verursacht werden, können die Klimabilanz deutlich verschlechtern. Die Nutzung nachhaltiger Baustoffe in einfachen Konstruktionen, die Reduzierung von Gebäudetechnik auf ein für die Nutzenden sinnvolles Maß und die Umsetzung kompakter Bauformen sind mindestens genauso wichtig. Eine gute Datenlage und die zielorientierte Berücksichtigung bei der Planung und im Betrieb sind notwendig, um das entsprechende Optimum zu finden. Nur so lassen sich Gebäude konzipieren, die mit Blick auf ihren gesamten Lebenszyklus möglichst klimaneutral sind.


BMK BLEIBT BASIS EINER AKTIVEN BAUPOLITIK IN DER BUNDESREPUBLIK

Die aktuellen Herausforderungen an den Gebäudesektor, insbesondere im Wohngebäudebestand, erfordern wieder enorme Anstrengungen und verlangen mitunter strikte Maßnahmen. So ist der Gebäudetyp E (wie einfach) ein viel diskutiertes Konzept, das helfen soll, das Bauen unter den aktuellen Rahmenbedingungen bezahlbar zu machen. Bereits im Jahr 2015 für den damaligen, hohen Wohnungs- und Unterbringungsbedarf wurde in SchleswigHolstein das „Kieler Modell“ entwickelt, das auch jetzt für die aktuelle hohe Wohnraum- und Unterbringungsnachfrage anwendbar ist. Bei dem Kieler Modell handelt es sich um eine Typologie, die an die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten, auch in der Ausgestaltung, Kubatur und Architektur angepasst werden kann. Es orientiert sich an der Idee, Wohnraum zu erstellen, der allen Anforderungen gerecht wird, flexibel nutzbar ist, aber auf alle überflüssigen und teuren Komponenten verzichtet. Das ist die Idee, die auch hinter dem Gebäudetyp E steckt. Diesen Ansatz aufzugreifen und gemeinsam weiterzuentwickeln wird ein zentrales Thema für die BMK darstellen.

Abbildung: Das „Kieler Modell“ als pragmatische und variable Lösung für hohe Wohnraum- und Unterbringungsnachfrage in Bad Segeberg. Foto: © Timo Wilke

Über den Erfolg sowohl der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum als auch bei der Klimawende im Gebäudebestand wird maßgeblich erneut der intensive Austausch innerhalb der Bauministerkonferenz entscheiden. Die Bauministerkonferenz wird wie immer in den letzten 75 Jahren dazu beitragen, gemeinsames Handeln zu gestalten, sozialverträgliche Lösungen zu finden und sich dabei objektiv an Daten und Fakten zu orientieren.